Die Werster Flugplätze
Von Gerd Prinzhorn – März 2024
Von Gerd Prinzhorn – März 2024
Mit Erstaunen werden die meisten von Euch hier lesen, dass es in Werste tatsächlich einmal zwei Flugplätze gegeben hat. Aber der Reihe nach:
Zunächst soll hier über eine fast vergessene Fluggesellschaft berichtet werden.
Es war im Herbst des Jahres 1923. Im Kurhaus versammelten sich einige Männer, um als weiteren „Anziehungspunkt“ einen Flugplatz zu bauen. Es kam zur Gründung der „Westflug GmbH“ mit dem Geschäftsführer Siegfried Fuhrken. Dieser betrieb seit 1924 an der Mindener Straße das gleichnamige Autohaus, dessen denkmalgeschützte Teile noch heute vorhanden sind. Im Jahre 2024 wäre die Westflug 100 Jahre alt geworden.
Erste Start- und Landeversuche wurden in der Flutmulde durchgeführt; dies erwies sich jedoch schnell als ungeeignet. Es wurde ein etwa 80 Morgen großes Grundstück angepachtet, das zwischen der Werre, der Jahnstraße, der Sielstraße und der Gohfelder Grenze im Westen lag. Dort konnte bereits im Mai 1924 der Flugbetrieb mit Segelflugzeugen aufgenommen werden. Mit dem Einsatz eines Junkers-Kabinenflugzeuges wurden Rundflüge über die Stadt und bis zur Porta Westfalica durchgeführt. Inzwischen wurde der Flugplatz als Flughafen 2. Ordnung für den Luftverkehr zugelassen. Die Luftpolizei Münster richtete eine Flugwache ein. Im westlichen Teil des Grundstücks direkt an der Werre wurden zunächst zwei aus dem 1. Weltkrieg stammende Flugzelte mit „Erfrischungshallen“ aufgebaut. Die Junkers allerdings und die immer weiter vergrößerte Flotte der Flugzeuge passte nicht in diese Zelte. Damit die Flugzeuge nicht weiter der Witterung ausgesetzt waren, baute die Gesellschaft 1925 eine Flugzeughalle mit 45 x 25 m Größe.
Im Jahre 1925 nahm die Zahl der Fluggäste ständig zu. Für 10 Mark konnten täglich Rundflüge über der Stadt angeboten werden, und für 15 Mark flog man bis zur Porta Westfalica. Es wurde berichtet, dass Bad Oeynhausen als einziges deutsches Bad einen eigenen Flugplatz besitze.
Von Werste aus starteten neben den Rundflügen auch Fotoflüge für Luftaufnahmen, die bis ins Rhein-Ruhr-Gebiet reichten. Auch Vermessungsflüge im ganzen Weserraum gab es.
Die Flugleistungen der Gesellschaft waren beeindruckend: Allein im Jahre 1925 wurden mit 1279 Flügen 4143 Passagiere und 8260 Kilogramm Fracht befördert. Dabei wurden 37000 Flugkilometer zurückgelegt. Auch 800 andere Städte, wie z.B. Berlin, wurden angeflogen. Im Jahre 1926 wurden diese Aktivitäten gegenüber dem Vorjahr um 70 % gesteigert.
Dann aber kam der 16. Mai 1927, der die Fliegerei hier nachhaltig verändern sollte. In der Nacht um 3 Uhr brannte die Flughalle durch Fahrlässigkeit vollständig ab, und mit ihr vier Flugzeuge, ein Kraftwagen, ein Ackerwagen, ein Fahrrad, das Inventar der Halle und fast alle Werkzeuge. Gelöscht wurde der Brand durch die Feuerwehren von Werste und Bad Oeynhausen.
Wie kam es überhaupt zu dem verheerenden Feuer? Zwei Angestellte der Firma Fuhrken waren mit ihrem Auto unterwegs nach Hause. Weil das Auto nahe des Flugplatzes wegen Benzinmangels plötzlich stehen blieb, begaben sich die zwei in die Flughalle, um an einem der Flugzeuge Treibstoff abzuzapfen. Dazu nahmen sie eine Sturmlaterne mit in die Halle. Auslaufendes Benzin ergoss sich in Richtung der Sturmlaterne und das Unvermeidliche nahm seinen Lauf!
Der Verursacher, selbst durch Flammen verletzt, wurden zu 200 Mark Geldstrafe verurteilt.
Auch weil der entstandene Schaden von der Versicherung nicht vollständig gedeckt war, hat sich die Westflug GmbH durch diesen Verlust nicht mehr erholen können.
Doch es ging zunächst weiter mit dem Flugbetrieb. Es wurde eine Nothalle aufgebaut, und am 2. Mai 1928 konnte die neue Flugsaison eröffnet werden. Es fanden wieder Rundflüge und Flugtage statt. Die letzte Veranstaltung allerdings war der Flugtag am 12. August 1928. Es gab inzwischen auch Klagen der Werster Einwohner über den Fluglärm, der auch im ganzen Stadtgebiet von Bad Oeynhausen zu hören war. Unter den gegebenen Umständen konnte das Überleben der Gesellschaft nicht mehr gewährleistet werden. Das Ende des Flugplatzes in Werste und damit auch der Flugbetrieb, der im Jahre 1924 so hoffnungvoll begann, wurde am 17. April 1929 mit der der Auflösung der GmbH besiegelt. Die Grundstücke wurden den Eigentümern zurück gegeben und wieder als Ackerland genutzt.
Diese Geschichte ist allerdings noch nicht ganz zu Ende erzählt. Denn im „Generalsiedlungsplan“ von 1931 waren an der Werre im Bereich des ehemaligen Flugplatzes ein Strandbad, ein Sportplatz und ein Sportflugplatz geplant. Das Flugfeld sollte ein Ausmaß von mindestens 600 x 600 m haben. Der Gemeinderat von Werste lehnte das ab. Gegen einen weiteren Vorstoß von Oktober 1937 haben die Badeverwaltung und der Regierungspräsident in Minden, Freiherr von Oeynhausen, ihre Bedenken angemeldet. Auch die elf betroffenen Grundstückseigentümer waren nicht mehr bereit, ihr Land dafür zur Verfügung zu stellen. Als der 2. Weltkrieg begann, wurden alle Planungen eingestellt. Nachdem der Flugplatz aufgelöst wurde, entstanden am Werreufer etwa 20 Boots- und Wochenendhäuser und ein Sportplatz. Das alles ist heute noch vorhanden.
Und nun zum zweiten Flugplatz:
In der 1945 eingezäunten Badestadt hatte sich das britische Hauptquartier nierdergelassen. Die britische Rheinarmee benötigte für ihre Kurierflüge einen Flugplatz. Im selben Jahr wurde zwischen dem Oeynhausener Friedhof am Schwarzen Weg, der Werster Straße und der Werster Masch dieser Flugplatz angelegt. Auf ihm wurden bis zum Jahre 1948 Flugbewegungen mit einmotorigen und segelbespannten Kurierflugzeugen durchgeführt. Das 35 Morgen große Gelände wurde den fünf Eigentümern 1949 zurück gegeben. Damit war auch dieser Flugplatz Geschichte.
Quelle: Gerhard Bartling, Stadtheimatpfleger, in Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen, Heft 13/14 (1991), Flugplatz-Foto von 1927, Sammlung Lothar Heine